Laurent Denize – Global Co-CIO ODDO BHF
Der klare Sieg Donald Trumps bei den US-Wahlen am 6. November hat die Unsicherheit für China und die Welt erhöht. Am Freitag, den 8. November, hat der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses in Peking zum Abschluss seiner Sitzung ein Programm in Höhe von 10 Billionen Yuan (1,4 Billionen US-Dollar) zur Unterstützung der Lokalregierungen vorgestellt. Es ist das umfassendste Konjunkturpaket seit der Pandemie. Wird diese Unterstützung ausreichen?
Trump 2.0 - Auswirkungen auf China
Mit der Rückkehr von Donald Trump ins Weiße Haus droht ein neuer Handelskrieg zwischen den USA und China. Höhere Zölle und stärkere Handelsbeschränkungen könnten Chinas exportorientierte Branchen unterschiedlich stark treffen. Auch der Yuan könnte unter Abwertungsdruck geraten, um der sinkenden Auslandsnachfrage zu begegnen.
Allerdings könnte diese Runde von Zollanhebungen weniger disruptiv ausfallen als 2018. Erstens ist der US-Anteil an den chinesischen Exporten von 19 % im Jahr 2017 auf etwa 14 % Ende 2023 gesunken. Grund hierfür ist, dass China die Erschließung von Märkten außerhalb der USA aktiv vorantreibt und die Produktion in andere Länder verlagert, um die Auswirkungen der Zölle abzufedern. Zweitens dürfte China proaktiver antizyklische fiskal- und geldpolitische Maßnahmen ergreifen, um den wirtschaftlichen Schaden abzudämpfen. Am 8. November 2024 stellte der chinesische Finanzminister Lan Fo'an eine „energischere“ Fiskalpolitik für das kommende Jahr in Aussicht und signalisierte damit, dass nach Trumps Amtseinführung im Januar beherztere Schritte folgen könnten. Drittens neigt Trump zu „transaktionalem“ Denken. Daher dürfte das Ausmaß der Zollerhöhungen vom Ergebnis der Verhandlungen zwischen den beiden Nationen abhängen.
Das Wahlergebnis vom 6. November ist nur der erste Akt. Klarer wird die Lage, wenn der neue Präsident im Januar 2025 sein Amt antritt und die wichtigsten Mitglieder seiner Administration auswählt.
Die chinesische Regierung packt ihre Bazooka aus
Ende September, kurz nach der ersten Zinssenkung der US-Notenbank, änderte China seinen politischen Kurs deutlich. Seit Juli hatten Ökonomen die Wachstumsprognosen für das laufende Jahr kontinuierlich nach unten korrigiert. Ende September reagierte die Zentralbank mit einer Reihe von Maßnahmen auf das anhaltend schwache Wachstum in China. Die Leitzinsen wurden gesenkt, auch für bestehende Immobilienkredite. Außerdem wurden außerordentliche Maßnahmen ergriffen, um die Aktienmärkte zu stabilisieren. So wurde eine „Kreditfazilität“ in Höhe von 800 Milliarden Renminbi bereitgestellt, mit der Unternehmen und Finanzinstitute, die keine Banken sind, den Kauf von Aktien finanzieren können. Ungewöhnlich war auch die Vorverlegung der ursprünglich für Oktober geplanten Politbürositzung auf Ende September. In dieser wurden stärkere und effektivere antizyklische Maßnahmen zur Ankurbelung des Wirtschaftswachstums und zur Stabilisierung des Immobilienmarkts gefordert.
Im Oktober kündigte das Finanzministerium weitere finanzpolitische Maßnahmen zur Wachstumsförderung an, darunter ein Programm zur Unterstützung der Kommunen zum Abbau ihrer außerbilanziellen oder „versteckten“ Schulden. Das Ministerium betonte, dass die Zentralregierung weiterhin über beträchtlichen Spielraum verfüge, um die Verschuldung zu erhöhen und das Defizit auszuweiten, nannte aber zunächst keine Zahlen. Am 8. November stellte dann der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses ein Konjunkturpaket in Höhe von 10 Billionen Yuan (mehr als erwartet) vor, um die Schuldenproblematik anzugehen. Die erhöhte Schuldenobergrenze wird es den Kommunalverwaltungen ermöglichen, über einen Zeitraum von drei Jahren zusätzliche 6 Billionen Yuan in Sonderanleihen auszugeben, um versteckte Schulden umzuwandeln, erklärte Finanzminister Lan. Er fügte hinzu, dass die regionalen Behörden in der Lage sein werden, weitere 4 Billionen Yuan im Rahmen einer speziellen lokalen Kreditquote zu mobilisieren, die jedes Jahr über einen Zeitraum von fünf Jahren, einschließlich 2024, für den gleichen Zweck gewährt wird. Der außergewöhnliche Umfang dieser Maßnahmen und die begleitende Kommunikation zeigen, wie ernst die Regierung den wirtschaftlichen Abschwung nimmt.
Aber reicht das aus?
Viele Investoren hoffen auf konkretere und direktere Maßnahmen zur Ankurbelung der Konsumnachfrage. Doch internationale Investoren unterschätzen nach unserer Einschätzung oft, wie wichtig es ist, die lokale Verschuldung in den Griff zu bekommen. Diese Schulden wirken wie unsichtbarer Sand im Getriebe der chinesischen Wirtschaft. Wegen der angespannten Finanzlage der Kommunen sind Zahlungen an Lieferanten (vor allem Privatunternehmen) überfällig, Gehälter von Kommunalbeamten werden verspätet ausgezahlt und Privatunternehmen müssen „Strafzahlungen“ leisten, um die sinkenden Steuereinnahmen und Einnahmen aus Grundstücksverkäufen der Kommunen auszugleichen. Schätzungen von Minister Lan zufolge könnten durch die Umschuldung von 10 Billionen Yuan über einen Zeitraum von fünf Jahren rund 600 Milliarden Yuan an Zinsen eingespart werden. Mit den dadurch freiwerdenden Mitteln ließen sich Investitionen und Konsum ankurbeln. Die Gesamthöhe der versteckten Schulden soll bis 2028 deutlich sinken, von aktuell 14,3 Billionen Yuan auf dann 2,3 Billionen Yuan. Ergänzende Instrumente dürften folgen, um auf einen möglichen Handelskrieg nach Trumps Amtsantritt reagieren zu können.
Nur ein kurzfristiger Kursanstieg?
Nach der langen Durststrecke reagierten die Aktienmärkte im September verständlicherweise erfreut auf die Aussicht auf wirtschaftliche Impulse mit deutlichen Kursgewinnen. Zwar haben sich die Bewertungen sehr schnell verbessert. Dennoch wird der chinesische Aktienmarkt im Vergleich zu anderen großen Aktienmärkten immer noch mit einem Abschlag gehandelt. Dies liegt zum Teil daran, dass große internationale langfristige Investoren weiterhin an der Seitenlinie stehen.
Angesichts der aus unserer Sicht attraktiven Bewertungen und der Aussicht auf weitere staatliche Unterstützung sollten Anleger, die sich am chinesischen Aktienmarkt engagieren wollen, den Fokus auf Qualitätsunternehmen mit solider Bilanz und kräftiger Gewinndynamik legen.
Europas Abhängigkeit von China
Die chinesische Wirtschaft ist jedoch nicht nur für chinesische Aktien von Bedeutung - viele europäische Industrie- und Luxusgüterunternehmen sind stark von China abhängig. Eine anhaltende Konjunkturerholung in China könnte auch in Europa die Aktienkurse steigen lassen. Für die Luxusgüterindustrie bleibt China auf absehbare Zeit der wichtigste Markt (>30% Umsatzanteil), noch vor den USA (>20% Umsatzanteil) und dem europäischen Binnenmarkt (ca. 15% Umsatzanteil). Die Konsumzurückhaltung der chinesischen Verbraucher aufgrund fallender Immobilienpreise und wirtschaftlicher Unsicherheit wird jedoch das Wachstum der großen Luxusgüterhersteller 2025 bremsen. In der europäischen Automobilindustrie hängen vor allem die deutschen Hersteller weiterhin stark vom China-Geschäft ab.
Auch ein Wachstumsprogramm wird hier nicht zu einer Rückkehr zu alten Zeiten führen. Schließlich verlieren die deutschen Automobilhersteller in diesem wichtigen Markt bereits seit 2021 stetig Marktanteile an chinesische Automarken. Die europäische Chemieindustrie dürfte von Chinas Politik nur begrenzt berührt werden, da China in den letzten zwei Jahrzehnten zunehmend zum Selbstversorger bei Chemikalien geworden ist.
Investieren in China - A-Aktien eine Überlegung wert
Kurzfristig könnten geopolitische Unsicherheiten die Stimmung der Anleger gegenüber chinesischen Aktien erneut trüben. Im Vergleich zu nur im Ausland gehandelten chinesischen Aktien könnten ausschließlich an chinesischen Festland-Börsen notierte A-Aktien jedoch besser abschneiden, da ihnen Risiken aus geopolitischen Unwägbarkeiten weniger zusetzen. Nur etwa 3% dieser Aktien werden von ausländischen Investoren gehalten, aber sie profitieren unmittelbar von den Konjunkturimpulsen in China, insbesondere von den speziell auf den Aktienmarkt ausgerichteten Maßnahmen. Defensive Sektoren, binnenmarktorientierte Branchen und von der chinesischen Politik gestützte Wirtschaftszweige - wie Konsum- und Investitionsgüter - könnten sich angesichts der gestiegenen Unsicherheit überdurchschnittlich entwickeln.
Wenn chinesische Aktien langfristig die Bewertungslücke zu anderen globalen Märkten schließen sollen, muss die Regierung klar aufzeigen, wie sie die strukturellen Schwächen der Wirtschaft angehen will. Erste Schritte in diese Richtung hat die Führung bereits unternommen. Als zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt hat China viel zu bieten und sollte in jedem global diversifizierten Portfolio vertreten sein. Kurzfristige Unsicherheiten schließen den Aufbau einer Positionierung in chinesischen Qualitätsaktien mit hohem Potenzial nicht aus.
Wichtige Hinweise
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