Hohe Anleiherenditen werden zum Risikofaktor für die Aktienmärkte

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Blick auf die Finanzmärkte 11.01.2025

Hohe Anleiherenditen werden zum Risikofaktor für die Aktienmärkte

ODDO BHF3 Minuten

Prof. Dr. Jan Viebig Global Co-CIO ODDO BHF

 

Ungeachtet der Leitzinssenkungen hat sich an den Anleihemärkten im vergangenen Jahr 2024 der rasche Anstieg der Renditen am langen Ende wie schon in den Jahren 2022 und 2023 fortgesetzt. Anfang 2022 wiesen zehnjährige Staatsanleihen der USA eine Rendite von rund 1,7 Prozent auf. Zu Beginn 2024 war sie auf knapp unter 4 Prozent gestiegen und geht mit aktuell rund 4,8 Prozent ins Jahr 2025. Das ist das höchste Niveau seit Ende Oktober 2023. Bis Mitte September 2024 ging die Rendite noch einmal auf 3,6 Prozent zurück, legte seitdem allerdings gut 1,2 Prozentpunkte zu. Das ist an den Anleihemärkten ein rascher Anstieg. Gepaart mit dem erfolgreichen Kampf gegen die Inflation ist vor allem die reale Verzinsung von Staatsanleihen stark gestiegen. Im Juni 2022 erreichte die Teuerungsrate in den USA ein Hoch von 7,2 Prozent, wodurch die Anleger real – nach Abzug der Inflation – mit Anleihekäufen erheblich an Vermögen einbüßten. Ende Dezember 2024 lag die Teuerungsrate in den USA bei 2,9 Prozent, sodass Anleger mit Anleihen nun auch real ein Plus erzielen.

Der Anstieg der Renditen könnte sich zu einem Risikofaktor für die amerikanischen Aktienmärkte entwickeln, die sich seit vielen Jahren in einer bemerkenswert langen Aufwärtsbewegung befinden. Hohe Anleiherenditen machen Schuldtitel selbst im risikoarmen Investment-Grade-Bereich wieder attraktiv für Anleger, die bis dahin angesichts niedriger Anleiherenditen auf Aktien ausgewichen sind, aber in Wahrheit die verlässlichen Zinszahlungen von Anleihen schätzen. Zudem belasten höhere Zinsen an den Anleihemärkten viele Unternehmen, die eine Finanzierung suchen. Aufgrund höherer Zinsen fallen zudem künftige diskontierte Bewertungen niedriger aus, da der für den künftigen Cashflow verwendete Diskontierungssatz höher ist. Somit führen höhere Renditen an den Anleihemärkten zu niedrigeren Unternehmensbewertungen.

Für uns bedeutet das nicht, dass wir dem Aktienmarkt den Rücken kehren würden. Allerdings müssen sich die Anleger unserer Einschätzung nach darauf einstellen, dass die Kursgewinne weniger kräftig als in den vergangenen Jahren steigen und dass sich durch den Zinsanstieg die Gewinnaussichten für das eine oder andere Unternehmen verdunkeln. Die Gewinne der im Aktienindex S&P 500 gelisteten Unternehmen dürften laut FactSet 2025 im Mittel um 14,6 Prozent steigen. Da es sich bei dieser Zahl um einen Mittelwert handelt, bedeutet dies, dass einige Unternehmen ein deutlich höheres Gewinnwachstum ausweisen und andere vermutlich weit darunter bleiben werden.

Das wird unserer Einschätzung nach in diesem Investmentjahr die große Herausforderung sein: jene Unternehmen zu identifizieren, die am wenigsten unter dem Zinsanstieg am langen Ende des Anleihemarktes leiden werden. Damit könnte sich in dieser Marktphase der Investmentansatz bewähren, den wir ohnehin verfolgen. Wir suchen an den Aktienmärkten Unternehmen, die ein überzeugendes Geschäftsmodell aufweisen, eine starke Marktposition aufgebaut haben, eine hohe Eigenkapitalrendite erreichen, angemessen bewertet sind und – nicht zuletzt - gering verschuldet sind. Diese Unternehmen gibt es – an den amerikanischen Aktienmärkten, aber auch an den europäischen.

Dem amerikanischen Markt kommt zudem zugute, dass er von einer robusten Konjunktur getragen wird. Die OECD hat in ihrem im Dezember veröffentlichten Wirtschaftsausblick die Wachstumsrate der US-Wirtschaft für 2024 auf 2,8 Prozent veranschlagt. Für das laufende Jahr 2025 rechnet sie zwar mit einer Verlangsamung auf 2,4 Prozent. Damit liegt das amerikanische Wachstum deutlich über dem in Europa – für die Eurozone erwartet die OECD im Jahr 2025 nur einen Anstieg der Wirtschaftsleistung um nur 1,3 Prozent. Dabei wird die Wirtschaftspolitik, die der neue US-Präsident Donald Trump angekündigt hat, gegensätzliche Wirkungen entfalten. Zum einen dürfte der angekündigte Einwanderungsstopp die Knappheit an Arbeitskräften verschärfen und die Anhebung der Importzölle die Einfuhren in die USA verteuern. Das wird die amerikanischen Verbraucher belasten und möglicherweise die Rückführung der Inflation verlangsamen. Zum andern könnten US-Unternehmen davon profitieren, wenn der Konkurrenzdruck im Zuge höherer Importpreise nachlässt.

Der amerikanische Aktienmarkt ist seit vielen Jahren der große Favorit unter den internationalen Finanzplätzen. Dazu haben wesentlich erfolgreiche Technologiekonzerne beigetragen, Unternehmen wie Amazon, Meta, Apple, Google, Nvidia, Tesla oder auch Microsoft, die in Anlehnung an einen Hollywood-Klassiker unter dem Begriff die „Glorreichen Sieben“ zusammengefasst worden sind. Doch neben diesen sieben Überfliegern lassen sich an Wall Street auch viele andere Titel finden, die erstklassige Investments darstellen.

Aus diesem Grund haben wir die USA in unseren Aktienportfolios hoch gewichtet. In unserem Modellportfolio kommen sie auf einen Anteil von 52 Prozent, obwohl unsere interne Benchmark bei 35 Prozent liegt. Mit dieser Übergewichtung fühlen wir uns angesichts der außerordentlichen Ertragsstärke, die einige US-Titel aufweisen, wohl. Allerdings folgen wir nicht jenen Investoren, die ihren USA-Anteil am Aktienindex MSCI Welt ausrichten. In diesem Index kommen US-Aktien auf einen Anteil von rund 74 Prozent. Das halten wir unter Risikogesichtspunkten für unangemessen hoch. Hier steht für uns nicht die Möglichkeit eines Kurseinbruchs an oberster Stelle – dieses Szenario können wir selbstverständlich nicht komplett ausschließen, halten seine Wahrscheinlichkeit aber nicht für beängstigend hoch. Vielmehr stellen wir uns darauf ein, dass weiter steigende Zinsen mehr Unternehmen als in der Vergangenheit unter Druck setzen und damit die Perspektiven für den Gesamtmarkt eintrüben werden. Somit halten wir in diesem Jahr 2025 selektive Investments und eine Diversifizierung der Investments für das Gebot der Stunde.


 


 

 

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