Bruno Cavalier – Chefökonom ODDO BHF
WESENTLICHE PUNKTE:
Der unter der Präsidentschaft von Joe Biden eingetretene Inflationsschock hat maßgeblich zum Vertrauensverlust des demokratischen Lagers bei den US-Wahlen am 5. November beigetragen. In den letzten vier Jahren lag die Inflation durchschnittlich bei 5 % pro Jahr, mit einem Höchststand von fast 9 %. Das ist mehr als das Doppelte des normalen Trends der letzten Jahrzehnte. Folglich haben die Wähler mehrheitlich das republikanische Lager gewählt und Donald Trump einen deutlichen Sieg beschert. Das Paradoxe an dieser Wahl ist, dass sein wirtschaftliches Programm auf den ersten Blick das inflationärste ist.
In wirtschaftlicher Hinsicht sind die großen Ideen von Donald Trump die gleichen wie vor acht Jahren, doch diesmal ist er besser vorbereitet, sie umzusetzen. 2016 hatte sein Sieg selbst sein Wahlkampfteam überrascht, das keinen Plan für die Bildung der zukünftigen Regierung hatte. Donald Trump trat als Kandidat außerhalb des „Systems“ auf, doch die Hauptposten seiner Administration gingen an traditionelle Republikaner. Das bildete ein Gegengewicht zu den mitunter radikalen Ideen des 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten. Im Jahr 2024 ist die Situation völlig anders. Donald Trump hat die Republikanische Partei nach seinem Willen umgeformt und sie zum Sieg geführt, was Abhängigkeiten unter den neu gewählten Mandatsträgern schafft. Die ersten Ernennungen des zukünftigen 47. Präsidenten zeigen, dass er sich mit loyalen Personen umgeben will, die seine Ansichten teilen. Das schließt Kompetenz nicht aus, ist aber nicht in allen Bereichen gewährleistet.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied ist, dass Donald Trump mit komfortablem Vorsprung gewonnen hat und 58 % der Stimmen im Wahlkollegium erhielt, ohne den geringsten Verdacht auf Betrug oder ausländische Einmischung. Dies verleiht ihm eine größere Legitimität. Er hat die Mehrheit der Stimmen erhalten. All seine juristischen Probleme werden auf einen Schlag vergessen sein. Bedeutende Think-Tanks haben in den letzten Monaten in seinem Umfeld gearbeitet, und er kann auf mächtige Unterstützer an der Wall Street und über Elon Musk in den Spitzentechnologiesektoren zählen. Die Republikaner haben zudem die Mehrheit im Senat zurückerobert. Ihre Ansichten sind im Obersten Gerichtshof sehr gut vertreten.
Bis zu den nächsten Zwischenwahlen Ende 2026 gibt es also wenige Hindernisse, die Donald Trump daran hindern könnten, sein Programm umzusetzen. Die Hauptbremse könnte von den Finanzmärkten kommen, falls sie zu dem Schluss gelangen, dass diese Politik mehr Probleme als Nutzen verursachen wird.
Während seiner ersten Amtszeit waren die Errungenschaften von Donald Trump zahlreich, auch wenn sie oft durch seine Exzesse und heftige politische Spannungen (zwei Amtsenthebungsverfahren) überschattet wurden. Ein umfangreiches Steuersenkungsprogramm wurde 2017 verabschiedet. Die beiden folgenden Jahre waren vor allem dem Handelskrieg mit China und der Neugestaltung des nordamerikanischen Freihandelsabkommens gewidmet. Im Jahr 2020 initiierte die Trump-Administration frühzeitig eine umfangreiche öffentlich-private Partnerschaft zur Entwicklung, Produktion und Verteilung eines Anti-Covid-Impfstoffs. Im Zuge der Pandemie stieg das Haushaltsdefizit stark an. In der Innenpolitik wurden an der mexikanischen Grenze Barrieren errichtet, um die illegale Einwanderung zu verhindern, allerdings mit geringem Erfolg. Bemerkenswert ist schließlich, dass keine großen militärischen Auslandseinsätze gestartet wurden.
Welche Prioritäten hat Donald Trump für seine zweite Amtszeit? Grob gesagt setzen sie die Hauptlinien der in der ersten Amtszeit verfolgten Politik fort und verstärken sie.
Donald Trump wird sein Amt mit einer robusten Wirtschaft antreten. Die Arbeitslosenquote ist niedrig, ebenso die Sparquote der Haushalte. Die Vermögenspreise sind hoch. Die Inflation hat sich nach mehreren Jahren der Abweichung fast wieder normalisiert. Es handelt sich also nicht um eine Wirtschaft, die starke reflationäre Maßnahmen erfordert. Dennoch drängt Trumps Programm in diese Richtung, und zwar über verschiedene Kanäle.
Erstens könnten die fiskalischen Maßnahmen das Defizit des Bundeshaushalts in den nächsten zehn Jahren um etwa 1,5 Prozentpunkte des BIP pro Jahr erhöhen. Im Jahr 2024 belief sich dieses Defizit bereits auf rund 6,5 % des BIP. Zweitens würden die Einschränkungen der Migrationsströme zu Arbeitskräftemangel führen, wie nach der Aufhebung der Lockdowns. Dies hatte damals zu Lohndruck geführt. Schließlich würde die Erhöhung der Zölle das Preisniveau anheben. Man kann zwar, wie Trump es tut, hoffen, dass die Exporteure die zusätzlichen Kosten in ihren Margen absorbieren, doch die historische Erfahrung zeigt, dass die Rechnung letztlich beim Endverbraucher landet. Das könnte zum Verlust künftiger Wahlen führen.
All dies würde die Zentralbank jedenfalls nicht dazu ermutigen, ihre Geldpolitik zu lockern. Die Federal Reserve hat in den letzten Monaten ihre Leitzinsen zweimal gesenkt, bleibt aber hinsichtlich der weiteren Entwicklung vorsichtig. Sie gibt an, abzuwarten, welche Maßnahmen tatsächlich umgesetzt werden, bevor sie entscheidet, ob dies eine geldpolitische Reaktion erfordert. Um die Sache zu verkomplizieren, hat Donald Trump nie verborgen, dass er der Unabhängigkeit der Fed skeptisch gegenübersteht. Dabei ist dies eines der Prinzipien, die von Investoren als essenziell angesehen werden. Jeglicher Versuch, in die Entscheidungen der Zentralbank einzugreifen, wäre destabilisierend. Der Vorsitzende der Fed hat betont, dass das Gesetz seine Entlassung nicht zulässt und dass er beabsichtigt, bis zum Ende seiner Amtszeit im Mai 2026 im Amt zu bleiben.
Zusammenfassend besteht kein Zweifel daran, dass Donald Trump sein Programm umsetzen will. Er hat die Mittel dazu. Was ihn zu gewissen Zugeständnissen bewegen könnte, ist die Gefahr, dass seine auf Wachstum ausgerichtete Politik vor allem die Inflation wieder anheizen könnte. Die Folgen würden dann seinen Zielen entgegenwirken, nämlich niedrigere Zinssätze und einen schwächeren Dollar.
US HANDELSBILANZDEFIZIT GEGENUBER EUROPA ($Bn)
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