Prof. Dr. Jan Viebig Global Co-CIO ODDO BHF
Die politischen Risiken rund um den Globus haben sich im zu Ende gehenden Jahr ungewöhnlich stark gehäuft. Und auch im kommenden Jahr dürften die geopolitischen und geoökonomischen Unwägbarkeiten nicht abnehmen. Die Rückkehr Donald Trumps ins Weiße Haus bringt eine weitere Unbekannte ins Spiel. Denn noch kann niemand verlässlich abschätzen, welche Politik er verfolgen, welche Ankündigungen er tatsächlich umsetzen wird. Hinzu kommen die vielen Kriege, Konflikte und Krisen, die das Weltgeschehen prägen. Es ist offen, wie lange die ukrainischen Verteidigungslinien den russischen Angriffen noch standhalten und wie ein Ende dieses Konflikts aussehen könnte. Im Nahen Osten ist nach dem Sturz des langjährigen syrischen Diktators Bashar al-Assad eine neue Quelle der politischen Ungewissheit hinzugekommen. Im Auge zu behalten sind schließlich auch die anhaltenden Konflikte im Südchinesischen Meer und am Horn von Afrika.
Wenn sich unserer Einschätzung nach schon eines für 2025 abzeichnet, dann dieses: Die Volatilität an den Finanzmärkten wird im kommenden Jahr voraussichtlich zunehmen. Das zu Ende gehende Jahr 2024 hat sich erstaunlich gut entwickelt. Das war zu Beginn 2024 so nicht zu erwarten. Im kommenden Jahr könnten politische Ereignisse verstärkt zu erratischen Bewegungen an den Finanzmärkten führen. Investoren sind es gewohnt, in einer Welt der Ungewissheiten zu agieren. Denn das ist das Wesen der Vermögensverwaltung: die Portfolien der Anleger auf die Unwägbarkeiten der Zukunft vorzubereiten. Unserer Erfahrung nach wird im kommenden Jahr eine internationale Diversifizierung unerlässlich sein. Deutsche Anleger neigen mitunter dazu, sich zu stark in deutschen Aktien und Anleihen zu positionieren. Sie können das Gesamtrisiko ihres Portfolios durch einen klugen Ausbau internationaler Investments mindern und gleichzeitig eine angemessene Rendite sichern.
Die deutsche Wirtschaft wird im internationalen Vergleich auch im Jahr 2025 eines der Schlusslichter sein. Der Sachverständigenrat erwartet, dass sich das deutsche Bruttoinlandsprodukt (BIP) im laufenden Jahr real um 0,1 Prozent vermindern und im kommenden Jahr nur um 0,4 Prozent erhöhen wird. „Im internationalen Vergleich hinkt Deutschland wirtschaftlich deutlich hinterher“, stellen die fünf ökonomischen Sachverständigen in ihrem Jahresgutachten von Mitte November fest. Für das Welt-BIP rechnen sie für 2024 und 2025 mit einem Anstieg von jeweils 2,6 Prozent. In den USA dürfte sich das Wirtschaftswachstum unserer Einschätzung nach im kommenden Jahr ebenfalls verlangsamen. Doch wir erwarten, dass die US-Wirtschaft auch im kommenden Jahr spürbar stärker als die deutsche, aber auch stärker als die europäische wachsen wird.
Aus unserer Sicht spricht nicht in erster Linie das höhere Wirtschaftswachstum in den USA für amerikanische Aktien. Anleger sollten Investments an Wall Street vor allem aus strukturellen Gründen in Betracht ziehen. Die börsennotierten US-Unternehmen erzielen tendenziell höhere Kapitalrenditen als deutsche. Die USA haben eine Vielzahl von Unternehmen hervorgebracht, die in ihren Bereich Weltmaßstäbe setzen. Das gilt besonders für den Tech-Bereich – Computer, Betriebssysteme, Datenspeicher, Computerchips, Plattformen für Soziale Medien, Onlinehandel, Künstliche Intelligenz und viele andere Bereiche rund um diese Schlüsseltechnologie. Der Grund dafür ist, dass sich in den USA Innovationen leichter entwickeln, besser finanzieren und schneller an den Markt bringen lassen. Das ist unserer Meinung nach ein wesentlicher Grund dafür, dass amerikanische Unternehmen einen deutlichen Vorsprung in ihrer Eigenkapitalrendite gegenüber deutschen Aktien, aber auch gegenüber europäischen insgesamt aufgebaut haben.
Die Aktienmärkte, gerade die amerikanischen, sind mittlerweile hoch bewertet. Trotz der Kursanstiege der vergangenen Jahre sehen wir nicht, dass sich eine spekulative Blase gebildet hätte. Allerdings sollten Aktienanleger nicht auf kurzfristige Wetten setzen, sondern Aktieninvestments in eine langfristig ausgerichtete Vermögensstrategie einbauen. Auch wenn die Börsen im kommenden Jahr volatiler und damit schwieriger werden sollten, so sind wir doch davon überzeugt, dass Aktien auf lange Sicht einen festen Platz in einer vorausschauenden Portfolioplanung haben sollten.
Allerdings wird eine rigorose Aktienselektion im kommenden Jahr wichtiger denn je werden. Unternehmen mit einer im Vergleich zu hohen Verschuldung oder einem Geschäftsmodell, das nicht wirklich überzeugt, sortieren wir grundsätzlich aus. Dies ist auch ein wesentlicher Grund dafür, dass wir uns vom chinesischen Aktienmarkt auch im kommenden Jahr fernhalten. Wir sind davon überzeugt, dass China erst die hohen Schulden bei den lokalen Regierungen und die Krise am Immobiliensektor in den Griff bekommen muss, bevor wir Investments an den Börsen Schanghai oder Hongkong in Betracht ziehen.
Wenn auch Rückenwind durch die allgemeine Konjunktur im kommenden Jahr ausbleiben dürfte, so gehen wir davon aus, dass sich für die beiden großen Notenbanken Fed in den USA und die EZB im Euroraum im kommenden Jahr weitere Spielräume für Zinssenkungen ergeben werden. Dies dürfte zur Versteilung der Zinskurven beitragen. In den USA dürfte das Wirtschaftsprogramm von President Elect Donald Trump zu einer weiteren Erhöhung der amerikanischen Schulden und möglicherweise zu höheren Risikoaufschlägen für amerikanische Staatsanleihen führen. Die Kombination aus Zinssenkungen am kurzen Ende der Zinsstrukturkurve und einer höheren Kapitalnachfrage in den längeren Laufzeiten sollte dazu führen, dass die Zinsstrukturkurve in den USA ebenfalls steiler wird.
Vor allem Anleger, die in kurzen Laufzeiten engagiert sind, müssen deshalb bei einer Wiederanlage damit rechnen, dass sie deutlich niedrigere Zinserträge erzielen werden. Die Anleihemärkte bieten weiterhin interessante Möglichkeiten, eine akzeptable Rendite festzuschreiben. Insbesondere Unternehmensanleihen weisen eine laufende Rendite von 3 Prozent für 5jährige Laufzeiten (BBB-Rating) im EUR-Segment auf; entsprechende USD-Papiere kommen auf knapp 5 Prozent (Quelle: Bloomberg). Die Risikoaufschläge sind meist nicht üppig, lassen sich aber angesichts der weiterhin sehr niedriger Ausfallquoten rechtfertigen. Absolut betrachtet erscheint uns diese Rendite für eine risikoarme Ergänzung des Portfolios aber angemessen.
Unter dem Strich gehen wir trotz aller Belastungen und Unwägbarkeiten mit einer Mischung aus Vorsicht und Zuversicht in das kommende Jahr. Bei diszipliniertem Vorgehen werden sich auch im Jahr 2025 interessante Anlagemöglichkeiten ergeben.
Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Versäumnisse angehen, entschlossen modernisieren. Jahresgutachten 24-25, November 2024, Seite 1.
Ebenda, Seite 3.
Wichtige Hinweise
Dieses Dokument wurde von der ODDO BHF SE nur zu Informationszwecken erstellt. Darin enthaltene Äußerungen basieren auf den Markteinschätzungen und Meinungen der Autoren zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Diese können sich abhängig von den jeweiligen Marktbedingungen ändern. Weder dieses Dokument noch eine in Verbindung damit gemachte Aussage stellt ein Angebot, eine Aufforderung oder eine Empfehlung zum Erwerb oder zur Veräußerung von Finanzinstrumenten dar. Etwaig dargestellte Einzelwerte dienen nur der Illustration. Einzelne Aussagen sind weder dazu geeignet noch dazu bestimmt, eine individuelle anleger- und anlagegerechte Beratung durch hierfür qualifizierte Personen zu ersetzen. Bevor in eine Anlageklasse investiert wird, wird dringend empfohlen, sich eingehend über die Risiken zu erkundigen, denen diese Anlageklassen ausgesetzt sind, insbesondere über das Risiko von Kapitalverlusten.
ODDO BHF
ODDO BHF SE · Gallusanlage 8 · 60323 Frankfurt am Main · Postanschrift: 60302 Frankfurt am Main ·
www.oddo-bhf.com Vorstand: Philippe Oddo (Vorstandsvorsitzender) · Grégoire Charbit · Joachim Häger ·
Christophe Tadié · Benoit Claveranne . Alexander Ilgen . Vorsitzender des Aufsichtsrats: Werner Taiber · Sitz: Frankfurt am Main.
Registergericht und Handelsregister Nummer: Amtsgericht Frankfurt am Main HRB 73636 USt-IdNr. DE 814 165 346 · BIC/SWIFT
BHFBDEFF500 - www.oddo-bhf.com
Nachrichten
Das geldpolitische Jahr endet mit den Sitzungen der großen Notenbanken kurz vor Weihnachten. Die EZB hat am Donnerstag den Leitzins – den Einlagensatz – nochmals um 25 Basispunkte auf jetzt 3,00 Prozent gesenkt.
Die Divergenz zwischen den USA und Europa dürfte auch im Jahr 2025 das marktbestimmende Thema sein. Dahinter steht ein bereits viele Jahre anhaltender Trend, dem man sich nicht entgegenstellen konnte: der Exzeptionalismus, also die Ausnahmestellung der USA. Ende November erreichte der S&P 500 auf absoluter Basis seinen sechzigsten Tageshöchststand in diesem Jahr.
Die politischen Risiken rund um den Globus haben sich im zu Ende gehenden Jahr ungewöhnlich stark gehäuft. Und auch im kommenden Jahr dürften die geopolitischen und geoökonomischen Unwägbarkeiten nicht abnehmen.