Aus Chaos entstehen Helden
Yanxiu Gu – Produktspezialistin, chinesische Aktien
US-Sanktionen als Innovations-Impuls für Huawei und seine in-ländischen Zulieferer
Ende August hat Huawei, ein chinesischer Technologiekonzern in Privatbesitz, sein neues 5G-Smartphone, die Mate 60 Serie, auf den Markt gebracht. In den Geräten ist der in China hergestellte High-End-Chip Kirin 9000S verbaut. Die kanadische Beratungsfirma für Halbleitertech-nologie TechInsights hat das HUAWEI Mate 60 Pro genauer unter die Lupe genommen und Hinweise für den Einsatz von 7nm-Prozessor-technologie des modernsten chinesischen Auftragsfertigers SMIC (Semiconductor Manufacturing International Corp) gefunden. Seit 2019 übt die US-Regierung Druck auf US-amerikanische und weltweit führende Halbleiter-unternehmen aus, um zu verhindern, dass China hochmoderne Halbleitertechnologie und -aus-rüstung erwirbt. Seither ist es dem nieder-ländischen Halbleiterschwergewicht ASML unter-sagt, seine EUV-Lithographiesysteme (EUV steht für extreme ultraviolette Strahlung) nach China zu verkaufen. Nach Ansicht von Experten wäre China ohne diese nicht in der Lage, High-End-Chips (7nm und kleiner) zu fertigen. Diese Sanktionen jedoch haben Huawei dazu veranlasst, die Chip-Entwick-lung selbst in die Hand zu nehmen, was bei den Chinesen die Begeisterung für und das Vertrauen in die chinesische Innovationskraft gestärkt hat.
Durch den technologischen Durchbruch mischt Huawei wieder im Smartphone- und E-Auto-Geschäft mit
Dank des erzielten Durchbruchs nimmt Huawei seinem Hauptkonkurrenten Apple auf dem heimischen Markt immer mehr Marktanteile ab. Einst war Huawei der zweitgrößte Smartphone-Hersteller der Welt und die Nummer 1 in China. Doch seit die US-Regierung das Unternehmen 2019 auf die Sanktionsliste gesetzt hat, hat es einige schwierige Jahre durchlaufen. Mit der Markteinführung der neuesten Smartphones dürfte Huawei sehr wahrscheinlich wieder zur Nummer 1 in China aufsteigen. In der ersten Oktoberwoche überholte Huawei gemessen an Smartphone-Verkäufen Apple, Honor und Xiaomi und wurde zur gefragtesten Marke.
Durch den Erfolg des Kirin 9000S-Chips sind auch die neuen Elektroautos von Huawei in der Gunst der chinesischen Verbraucher gestiegen und übertreffen damit die Erwartungen von Huawei selbst. Mit 1000 bis 3000 verbauten Chips ähneln Elektroautos riesigen PCs und Smartphones. In einem Anfang dieses Jahres veröffentlichten Artikel über Elektroautos in China haben wir bereits darüber berichtet, dass Huawei in dieses spannende Segment einsteigt. Damals waren sich Analysten und Investoren nicht sicher, inwiefern Huawei einen Wettbewerbsvorteil gegenüber etablierten Marken wie BYD, Tesla, Li Auto, usw. haben würde. Der Durchbruch Huaweis mit dem Kirin 9000S hat jedoch das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte des Unternehmens deutlich gestärkt. So entwickelte sich Huaweis neuer Elektro-Geländewagen M7, der zwei Wochen nach dem neuen Smartphone auf den Markt kam, direkt zu einem ernsthaften Konkurrenten für andere chinesische Elektroauto-Marken und heizte den bereits intensiven Wettbewerb auf dem heimischen E-Automarkt weiter an. Innerhalb von 25 Tagen gingen bei Huawei mehr als 50.000 Bestellungen für Elektroautos ein, der ursprüngliche Businessplan von Huawei war von 8.000 pro Monat ausgegangen.
Schub für Technologiezulieferer
Seit der Markteinführung der Mate 60-Serie sind die Aktienkurse der inländischen Zulieferer von Huawei gestiegen. Dahinter stand die Erwartung, dass sie vom Nachfrageschub sowohl im Smartphone- als auch im Elektroauto-Segment profitieren werden. So hat sich beispielsweise der Aktienkurs von OFIUM – Huaweis Lieferant für Kameramodule und bis 2020 Zulieferer des US-Technologieriesen Apple – innerhalb von 6 Tagen nach Markteinführung des Huawei Mate 60 verdoppelt. Auch der Aktienkurs der Seres Group, Huaweis Partner beim Bau von Elektroautos, hat seit Ende August einen Höhenflug um rund 153%* erlebt. Und SMIC – wenngleich gegenüber den Medien noch nicht offiziell als Chiphersteller des Kirin 9000S bestätigt – verzeichnete einen Anstieg seines Aktienkurses um 27%* seit Marktein-führung des neuen Smartphone-Modells. Zum Vergleich: Der chinesische Halbleitersektor legte im gleichen Zeitraum um „lediglich“ 8 %* zu.
Lohnt sich für China die Produktion von High-End-Chips? Die Frage ist nicht so entscheidend, wie man denkt.
Da aufgrund der US-Sanktionen die modernsten Lithographieanlagen außer Reichweite sind, könnte sich der Durchbruch bei 7nm-Chips für China als sehr teuer erweisen. Anleger sollten meiner Meinung nach eine andere Frage mehr be-schäftigen als die aktuellen Kosten für die Herstellung von Kirin 9000S. Die eigentliche Frage lautet: Wie viel ist die chinesische Regierung bereit zu investieren, um die Halbleiterindustrie voran-zubringen? Die Antwort lautet: Unbegrenzt viel.
Bevor die USA Sanktionen gegen Huawei ver-hängten, war die Bereitschaft chinesischer Unternehmen, in Innovationen zu investieren, gering. Warum viel Geld für riskante Innovationen ausgeben, wenn man sie einfach einkaufen kann? Diese frühere Haltung der Unternehmen wird mittlerweile recht kritisch gesehen und als naiv bewertet, und die chinesische Regierung ist entschlossen, Unternehmen und Forscher zu unterstützen, um Durchbrüche zu beschleunigen. Chinesische Unternehmen schrecken geringere Gewinnmargen oder sogar Gewinneinbußen nicht ab, solange sie weiterhin auf die finanzielle und regulatorische Unterstützung der chinesischen Regierung zählen können. Reuters zufolge plant die chinesische Regierung die Einrichtung eines zusätzlichen Fonds mit einem Volumen von 300 Milliarden Yuan (41 Milliarden US-Dollar), um der Halbleiterindustrie neues Leben einzuhauchen.
Mehr Durchbrüche mehr US-Sanktionen – mehr US-Sanktionen mehr Aufträge für heimische Anbieter
Der 7nm-Chip Kirin 9000S ist ein Meilenstein im Kampf Chinas gegen die von den USA verhängten strengen Beschränkungen. Mit seiner Kapital-stärke, seinem Pool an klugen Köpfen und seiner enormen Binnennachfrage sieht sich China gut dafür gerüstet, die anstehenden Herausfor-derungen zu meistern, schließlich ist das Land der größte Halbleitermarkt der Welt. Chinas riesige Binnennachfrage hat es vielen aufstrebenden Sektoren ermöglicht, schneller als erwartet Skalenvorteile zu heben, etwa in der Photovoltaik-branche und im Elektroautosegment.
Chinas Durchbrüche dürften wohl weitere Be-schränkungen nach sich ziehen. Am 17. Oktober 2023 kündigte etwa das US-Handelsministerium eine Verschärfung der Exportbeschränkungen für die chinesische Halbleiterindustrie an. Neben A100 and H100, den modernsten Chips von Nvidia, könnten auch die „weniger fortschritt-lichen”, speziell für den chinesischen Markt ent-wickelten Chips-Serien A800 und H800 auf die Verbotsliste gesetzt werden.
Dennoch verlieren ausländische Anbieter in China Marktanteile an einheimische Unternehmen. Da die US-Regierung chinesischen Unternehmen den Erwerb der neuesten Technologie und Ausrüstung untersagt, sind lokale Technologieunternehmen wie Huawei, Alibaba und Baidu gezwungen, auf inländische Anbieter zurückzugreifen. Nach An-gaben von Huatai Securities ging bei fast der Hälfte aller Ausschreibungen chinesischer Foundries für Maschinenausrüstungen der Zuschlag an chinesische Anbieter.
Anlagechancen: Vorgelagerte Bereiche der Produktionskette stärker in den Blick nehmen
Die chinesische Regierung wird auch weiterhin lokale Unternehmen finanziell und regulatorisch massiv unterstützen, ähnlich wie die taiwanesische Regierung seit den 1970er Jahren TSMC, den weltweit führenden Hersteller von Halbleiterchips, gefördert hat.
Die US-Beschränkungen für Technologieexporte nach China sind für chinesische nachgelagerte Technologieunternehmen wie Huawei schmerzhaft, da für sie Innovationssprünge nur mit hohen Kosten erreichbar sind. Vorgelagerte Branchen und Ausrüster aus China profitieren hiervon hingegen eindeutig.
So ist beispielsweise der Aktienkurs von AMEC (Advanced Micro-fabrication Equipment Inc. China), dem führenden chinesischen Anbieter von Ätzanlagen für integrierte Schaltkreise, im laufenden Jahr um 63 % gestiegen (Stand: 18. Oktober 2023). Zwischen 2017 und 2022 sind Umsatz bzw. Nettogewinn im Durchschnitt jährlich um 37 % bzw. 108 % gewachsen. Das Unternehmen zählt sowohl chinesische als auch weltweit führende Halbleiterunternehmen zu seinen Kunden. So konnte seine neueste Anlage für 5nm-Chips etwa bei TSMC eingesetzt werden.
Der Technologiewettlauf zwischen China und den USA wird so schnell nicht enden. Anleger jedoch könnten sich gute Chancen entgehen lassen, wenn sie sich von diesen Aktien abwenden. Wie heißt es doch in einem alten chinesischen Sprichwort sinngemäß: Aus Chaos entstehen Helden.
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