Mein Name ist Bond, Donald Bond

Blick auf die Kapitalmärkte
04.14.2025
6 Minutes
    Laurent Denize
    Laurent Denize
    Chief Investment Officer of ODDO BHF Asset Management & Group co-Chief Investment Officer

Aktien, Unternehmensanleihen, der Dollar – alle geben kräftig nach … und die Anleihenrenditen steigen – eine ungewöhnliche Kombination, die zuletzt in den USA zu beobachten war. Das Phänomen trat jedoch auch schon in Großbritannien während der Liz-Truss-Episode und häufiger in Schwellenländern auf, wenn das Vertrauen auf breiter Basis erodiert. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, könnte die Flucht aus US-Vermögenswerten ein großes Risiko werden. Denn der US-Dollar und US-Staatsanleihen gelten als vermeintlich sicherer Hafen der Welt, und das globale Finanzsystem stützt sich auf die Annahme, dass sie sicher sind. Bleibt zu hoffen, dass Prophet Trump die Finanzmärkte mit seinen Worten beruhigt: „Dem Anleihemarkt geht es gut. Es gab einen kleinen Moment, aber ich habe das Problem schnell gelöst. Ich bin sehr gut darin.“  Spaß beiseite: Wohin steuern die Finanzmärkte? Hierauf eine eindeutige Antwort zu haben, wäre sehr klug. Doch jenseits des Marktgetöses liegt der Schlüssel zu diesem Rätsel in einem Vermögenswert: US-Staatsanleihen.

Nun regiert nicht mehr der Präsident, sondern „Mister Bond“

Vergessen Sie Trump, JD Vance, Musk, das Weiße Haus… Jetzt bestimmt der Anleihemarkt das Geschehen. Steigen die Anleiherenditen weiter, muss entweder die Trump-Regierung ihren Handelskrieg aufgeben (was künftige Steuersenkungen gefährdet) oder die Fed wird sich gezwungen sehen einzugreifen. Die USA leben über ihre Verhältnisse. Das zeigt sich an der enormen Verschuldung in Höhe von über 110% des BIP und einem Haushaltsdefizit, das dieses Jahr voraussichtlich bei über 7% liegen wird. Insgesamt müssen die USA in diesem Jahr rund 8 Billionen US-Dollar an fälligen Schatzpapieren und Anleihen umschulden, weitere 500 Mrd. US-Dollar an Zinsen für ausstehende Schatzpapiere und Anleihen zahlen und rund 2 Billionen US-Dollar an neuen Schatzpapieren ausgeben. In den letzten 50 Jahren haben es vor allem Anleihen den USA ermöglicht, Wachstum zu generieren und somit den sinkenden Lebensstandard zu kaschieren. Seit Anfang der 1980er Jahre sind die Anleiherenditen kontinuierlich gesunken, was den USA erlaubte, immer mehr Schulden aufzunehmen und Kredite in das Finanzsystem pumpen.

Mister Trump als erstes Opfer des Handelskriegs

Warum (erneut) die US-Schuldenproblematik zum Thema machen? Weil Donald Trump beschlossen hat, der Globalisierung ein Ende zu setzen, um die Industrie in den USA wieder aufzubauen (wenngleich die jüngsten Ankündigungen zu Halbleitern Zweifel an diesem Plan aufkommen lassen) und den Haushalt auszugleichen. Und er sieht in Zöllen das Mittel der Wahl, um diese beiden Ziele zu erreichen. Das Problem ist, dass der Anleihemarkt Zweifel daran hat. In den letzten Wochen ist die Rendite 10-jähriger US-Anleihen von 3,9% auf 4,5% gestiegen, was die Kreditkosten in die Höhe treibt. Zwar ist die kritische Marke von rund 5,5%/6% noch nicht erreicht, aber das schnelle Tempo des Anstiegs beunruhigt.

Lagen die 10-jährigen Renditen in den USA nicht vor 15 Jahren auch bei über 5 %? Ja, aber die Situation ist heute eine andere. Seitdem haben die USA über 20 Billionen Dollar Schulden angehäuft. Die Trump-Administration weiß, dass sie in den nächsten zwölf Monaten 10 Billionen Dollar refinanzieren muss, und will dies bevorzugt über langfristige anstatt mit kurzfristigen Schuldtiteln tun. Steigen aber die Zinsen in unerschwingliche Höhen, gerät die US-Regierung ernsthaft in Bedrängnis. Angesichts der massiven Verschuldung der USA – Zinszahlungen sind inzwischen der größte Ausgabenposten im US-Haushalt – würde ein Zinsanstieg mit Sicherheit eine Rezession auslösen. Dies könnte zahlreiche negative Auswirkungen haben. Der Konsum bräche wegen fehlender Ersparnisse drastisch ein, der Kreditzyklus käme ins Stocken. Hinzu käme ein möglicher Vertrauensverlust bei den privaten Haushalten angesichts des Wertverlusts bei Finanzanlagen und Immobilienwerten, die beiden zentralen Säulen der Vermögensbildung in den USA.

Und Mister Bond?

US-Finanzminister Scott Bessent, der sich selbst als „Top-Anleiheverkäufer der USA“ bezeichnet, hat nur wenige Möglichkeiten, um die Renditen zu senken und im Spiel mit dem Bondmarkt den Ausgleich zu erzielen, bevor die Zeit abläuft. Die erste Option wäre, das US-Defizit zu verringern, um das Vertrauen der Anleger in den „risikofreien“ Status von US-Staatsanleihen wiederherzustellen. Doch die Chancen dafür stehen schlecht, und die vom DOGE erreichten Einsparungen reichen bei weitem nicht aus, um das immense Haushaltsdefizit auszugleichen. Eine zweite Option wäre der Verkauf von Sachwerten (vor allem unerschlossene Bodenschätze) zur Schuldentilgung. Doch kurzfristig ist das nicht realistisch. Eine dritte Möglichkeit wäre die Privatisierung von Fannie Mae und Freddie Mac, was die Renditen von US-Staatsanleihen drücken würde. Allerdings bestünde das Risiko, dass die Hypothekenzinsen unter Druck geraten und sich hierdurch die Stimmung der Haushalte eintrüben könnte. Als vierte Option könnte man Staatsanleihen aus den Berechnungen der Supplementary Leverage Ratio der Fed herausnehmen. Diese Vorgabe verpflichtet die größten US-Banken dazu, Kapital in Höhe von mindestens 5 % ihres Gesamtvermögens zu halten, unabhängig von der Risikogewichtung dieser Vermögenswerte. Letztere Option ließe sich schnell umsetzen.

Jerome Powell könnte ebenfalls eine Schlüsselrolle bei der Rettung der Anleihen spielen, denn die Fed hat erheblich an Glaubwürdigkeit gewonnen, wenn es darum geht, auf Panikereignisse zu reagieren. Wenn Trump keinen „Fed-Put“ durchsetzen kann, könnte Powell selbst entscheiden, langfristige US-Schuldtitel zu kaufen. Die Fed hält 14% der US-Staatsanleihen und könnte diesen Anteil theoretisch auf 100% ausweiten – im Wege der berühmten quantitativen Lockerung. Zudem könnten die US-Behörden beschließen, die Anleiherenditen offiziell zu deckeln, wie es Japan 2016 getan hat.

Wir gehen davon aus, dass sich die US-Institutionen als stark genug erweisen werden, um das Vertrauen der Anleger zu sichern

Im schlimmsten Fall könnte sich die Handelsunsicherheit auf hohem Niveau stabilisieren, was höhere Renditen zur Folge hätte. Dies würde die Wachstumsaussichten weiter eintrüben und die Wirtschaft bremsen. Der Staatshaushalt würde hierdurch weiter belastet und damit der US-Dollar weiter geschwächt. Ein solches Szenario würde auch Inflation importieren und einen weiteren Ausverkauf von Staatsanleihen auslösen. Um dies zu verhindern, müsste der Dollar seine Rolle als Reservewährung aufgeben. Das ist der Wunsch von Stephen Miran, dem Vorsitzenden von Trumps Wirtschaftsrat. Doch abgesehen von einem utopischem Ideal würde ein Zusammenbruch des Dollars globale Ungleichgewichte schaffen, von denen nur wenige Länder profitieren. Glücklicherweise existieren Schutzmaßnahmen, die das Risiko eines Worst-Case-Szenarios begrenzen. Die Anleger rechnen weiterhin mit einer deutlichen Lockerung der Geldpolitik (drei Leitzinssenkungen um jeweils 25 Basispunkte in 2025 )[1]. Zudem zeigen sich die Inflationserwartungen (10-Jahres-Break-Even-Sätze) aktuell recht stabil, was eine geldpolitische Straffung durch die Fed wenig wahrscheinlich macht. Darüber hinaus haben Länder mit Handelsbilanzüberschüssen gegenüber den USA (also fast alle!) mangels Alternative kaum eine andere Wahl, als ihre Überschüsse in US-Staatsanleihen zu investieren. Daher halten wir ein Worst-Case-Szenario für unwahrscheinlich.

Wie könnte man sich positionieren?

US-Staatsanleihen: In den vergangenen Tagen haben sich kurzlaufende Titel (2 Jahre) vergleichsweise stabil gezeigt, während längere Laufzeiten (10 und 30 Jahre) besonders stark unter Druck gerieten. Der Ruf von US-Staatsanleihen als “sicherer Hafen” wird zusehends in Frage gestellt. So überdenkt etwa der Canada Pension Plan, ein Pensionsfonds mit einem Volumen von 504 Mrd. Dollar, aktuell seine Haltung gegenüber den USA. Auch einer der größten Pensionsfonds Dänemarks hat neue Investitionen in US-Private-Equity-Anlagen ausgesetzt. Begründet wird dies mit der höheren Risikoprämie, die US-Staatsanleihen inzwischen einpreisen. Doch gerade diese attraktiven Risikoprämien könnten ausländische Investoren anlocken. Zudem könnte der bevorstehende Wirtschaftsabschwung die Anleihenrenditen in den USA nicht steigen, sondern sinken lassen. Dennoch halten wir es für ratsam, bevorzugt auf das vordere Ende der Kurve zu setzen, um das Risiko eines weiteren kurzfristigen Abverkaufs bei langlaufenden Anleihen zu begrenzen.

Europäische Staatsanleihen: Kurzfristig könnten Wachstumssorgen die Zinsentwicklung stärker beeinflussen als die preistreibende Wirkung der Zölle. Deshalb setzen wir in den europäischen Kernländern auf eine leicht übergewichtete Duration und bleiben bei den Spreads in den Semi-Kernländern und Peripheriestaaten vorsichtiger. Angesichts der langfristigen inflationären Wirkung der Konjunkturprogramme und Zölle liegt unsere Präferenz auf der Kurvenmitte anstatt auf dem langen Ende.

Unternehmensanleihen: In Bezug auf das Kreditrisiko bleiben wir sowohl in Europa als auch in den USA vorsichtig. Noch sind die Spreads in absoluter Sicht vergleichsweise niedrig und bieten damit keine hinreichende Kompensation für die deutlich gestiegene Unsicherheit, die hohe Marktvolatilität und das Rezessionsrisiko. Dies gilt insbesondere für langlaufende Hochzinsanleihen. Investment-Grade-Titel und Hochzinsanleihen mit kurzer Laufzeit dürften aus unserer Sicht hingegen von weiterhin attraktiven Renditen profitieren.

Aktien: Werden Staatsanleihen aufgrund anhaltender Instabilität verkauft, steigt der angenommene „risikofreie“ Zinssatz für US-Aktien. Dadurch erhöhen sich die Kapitalkosten für Aktien sukzessive und machen sie unattraktiver. Aus diesem Grund behalten wir unsere leicht untergewichtete Position in US-Aktien bei. Da die Aktienbewertungen jedoch massiv gesunken sind, erscheinen uns einige Unternehmen langfristig gesehen günstig bewertet. Vor diesem Hintergrund und angesichts der Konjunkturprogramme in Deutschland sowie der gezielteren Gegenmaßnahmen in Europa halten wir Europa in relativer Sicht für die bessere Wahl.

Fazit:  Das Gebot der Stunde – „Investoren nicht erneut verunsichern“

Die letzten Tage haben gezeigt: Turbulenzen am US-Anleihemarkt sind möglicherweise der einzige Hebel, um Druck auf die Trump-Administration auszuüben. Nur wenige Stunden vor der Ankündigung, die reziproken Zölle für 90 Tage auszusetzen, sagte Trump zu Reportern: „Die Leute sind ein bisschen nervös geworden“ und „Der Anleihemarkt ist sehr heikel (tricky)“. Zwar entgegnete ihm niemand: „Es ist der Anleihemarkt, Dummkopf“, aber die jüngste Episode von Trump 2.0 hat – zumindest aus Marktsicht – die Grenzen von Trumps Politik aufgezeigt. Die gute Nachricht ist, dass wir endlich zwei Gewissheiten haben. Erstens ist Trumps Erfolg eng mit dem Wohl und Wehe des Anleihemarktes verknüpft. Zweitens: Der „Trump Put” existiert. Die schlechte Nachricht: Der politische Zickzack-Kurs könnte noch einige Quartale andauern und die Zauberformel muss erst noch gefunden werden, damit Trump Boden wieder gutmachen und im Spiel gegen den Anleihemarkt auf ein 1:1 ausgleichen kann.

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    Laurent Denize
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