Deutschland zwischen Konjunkturimpulsen und Handelskrieg
Beflügelt durch den Beschluss des historischen Finanzpakets, das milliardenschwere staatliche Investitionen in Aussicht stellt, schockte die Unsicherheit über hohe US-Importzölle zuletzt den deutschen Aktienmarkt. Seit Jahresbeginn kletterte der DAX um mehr als 13 Prozent bis er am 7. April – nach Trumps Zoll-Rundumschlag – zum Handelsauftakt um rund zehn Prozent abstürzte.
Die einerseits berechtigten Hoffnungen auf eine konjunkturelle Erholung sind ein Lichtblick für die stagnierende deutsche Volkswirtschaft. Andererseits belasten externe Risiken – insbesondere die Aussicht auf global zunehmende Handelsbeschränkungen – die wirtschaftlichen Perspektiven.
Handelszölle als Risiko
Die Ankündigung von US-Handelszöllen auf europäische Importe stellt die exportorientierte deutsche Volkswirtschaft mit einem Waren-Exportanteil von 36,1% im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) auf die Probe (Quelle: Statistisches Bundesamt). Damit ist Deutschland überdurchschnittlich von zunehmenden Handelsbeschränkungen betroffen. Zum Vergleich: In den USA liegt dieser Anteil bei lediglich 7,1 Prozent, in China bei 18,9 Prozent.
Grafik 1: Exporte von Waren in % des BIP

Quelle: National Bureau of Statistics of China, statistisches Bundesamt, EU-Kommission (AMECO)
Deutschlands Wirtschaftswachstum basiert somit derzeit wesentlich auf dem freien Handel und globalen Wertschöpfungsketten. Die Exportstärke Deutschlands gilt als Zeichen wirtschaftlicher Stärke und der Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen. Nachdem sich die Regierung Trump für eine radikale Zollpolitik entschieden hat, belastet die hohe Exportabhängigkeit jedoch das Wachstum.
USA als wichtiger Handelspartner
Die USA ist für Deutschland mit einem Anteil von 10,4 Prozent am gesamten deutschen Waren-Exportvolumen ein wichtiger Handelspartner. 2024 exportierte Deutschland Waren im Wert von rund 161,4 Milliarden EUR in die USA, bei einem Bruttoinlandsprodukt von etwa 4,3 Billionen Euro entspricht dies einem Anteil von 3,7 % des deutschen BIP. Im Vergleich zu anderen von den US-Zöllen geplagten Ländern ist diese Abhängigkeit volkswirtschaftlich allerdings noch zu verschmerzen. Länder wie Kanada oder Mexiko sind wesentlich abhängiger von US-Abnehmern als Deutschland.
Grafik 2: Exporte in die USA in % des BIP

Quelle: Eurostat, Statistisches Bundesamt
EU-Binnenmarkt als Stabilisator
Die Bedeutung der EU-Länder für die deutsche Exportwirtschaft ist weitaus größer. Denn mehr als 50 Prozent der deutschen Exporte werden an EU-Abnehmer exportiert. Der freie Handel innerhalb der EU ist dementsprechend für Deutschland weitaus bedeutender als der Handel mit den USA. Diese enge wirtschaftliche Verflechtung innerhalb der EU stärkt in der aktuellen Lage die Stabilität des deutschen Außenhandels und wirkt globalen Unsicherheiten entgegen. Eine immer engere Integration in Europa stärkt das Wachstum und ist angesichts der aus ökonomischer Sicht zutiefst irrationalen Zollpolitik von Trump notwendiger denn je.
China könnte deutsche Exporte verdrängen
Eine Gefahr des US-Handelskriegs mit China ist allerdings, dass Waren aus China in Zukunft verstärkt nach Europa exportiert werden. US-Handelszölle über 100 Prozent auf chinesische Produkte belasten den Absatz chinesischer Produkte in die USA. Auf der Suche nach neuen Absatzmärkten hat China schon 2018, nach Einführung der US-Handelszölle in Höhe von 25 Prozent auf chinesische Produkte, die Handelsbeziehungen zur EU intensiviert – zu Gunsten der chinesischen Handelsbilanz.
Die deutsche Volkwirtschaft wird in 2026 wieder wachsen
Das 500 milliardenschwere deutsche Finanzpaket, das als Sondervermögen mit zwei-Drittel-Mehrheit gebilligt wurde, könnte dem öffentlichen Investitionsstau Abhilfe schaffen und private Investitionen nach sich ziehen. Den größten Investitionsbedarf sehen deutsche Forschungsinstitute und Verbände dabei im Bereich Verkehr, Bildung und Klimaschutz1. Oxford Economics revidierte die Wachstumsprognosen für 2026 und 2027 nach Beschluss des historischen Finanzpakets deutlich nach oben und erwartet für 2026 nun 1,8 Prozent (+ 0,7 Prozentpunkte zur letzten Prognose) und für 2027 2,6% (+1,3 Prozentpunkte zur letzten Prognose) reales Wirtschaftswachstum. Der deutsche Aktienmarkt freute sich merklich über die Investitionsimpulse durch höhere Staatsausgaben und wertete als Reaktion deutlich auf.
Der am Mittwoch, den 9. April 2025 geschlossene Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD weist Licht wie Schatten auf. Zu den positiven Elementen zählen die Steuererleichterungen für Unternehmen und die höheren Abschreibungsmöglichkeiten. Zu begrüßen ist die degressive Abschreibung von Ausrüstungsinvestitionen von 30% in den Jahren 2025 bis 2027. Ab 2028 soll die Körperschaftssteuer von derzeit 15% in fünf Schritten um jeweils einen Prozentpunkt gesenkt werden. Diese und andere Entlastungen und der dringend notwendige Kampf gegen die ausufernde Bürokratie könnten langfristig zu höheren Investitionen in Deutschland führen. Zudem soll die Stromsteuer gesenkt und Umlagen und Netzentgelte reduziert werden. Dies führt zu der dringend notwendigen Entlastung energieintensiver Unternehmen in Deutschland. Zu begrüßen ist zudem, dass – wenn auch geringe – Entlastungen etwa mit der Steuerbefreiung von Überstundenzuschlägen und der Erhöhung der Entfernungspauschale ab 2026 bei der Einkommensteuer vorgesehen sind und die von der SPD geforderte Wiedereinführung der Vermögenssteuer und eine Erhöhung der Abgeltungssteuer auf Kapitaleinkünfte nicht im Koalitionsvertrag vorgesehen sind. Weitergehende steuerpolitische Forderungen der SPD, die in der neuen Regierung den Finanzminister stellen werden, sind jedoch während der Legislaturperiode zu erwarten. Der Solidaritätszuschlag soll leider unverändert bestehen bleiben. Die angesichts der demographischen Entwicklung dringend notwendige Reform unseres Rentensystems wurde verschoben. Unsere Zusammenfassung zum Koalitionsvertrag: Ein zögerlicher Schritt in die richtige Richtung.
Das historische Finanzpaket sowie der überwiegend positiv aufgenommene Koalitionsvertrag könnten positive Impulse für Realwirtschaft und den deutschen Kapitalmarkt setzen. Der Wirbel um US-Handelszölle sorgt hingegen insbesondere bei Exportnationen für Verunsicherung. Die Abhängigkeit Deutschlands von amerikanischen Konsumenten hält sich allerdings in Grenzen – viel wichtiger ist der freie Handel innerhalb der Europäischen Union, die mit Blick auf geopolitische Risiken und einem geschwächten transatlantischen Vertrauensverhältnis hoffentlich immer stärker zusammenrückt.
1) Quellen: Bundesverband deutscher Industrie; Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung
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